Adventskonzert in Amorbach Adventskonzert in Amorbach: Michael Graf Münster leitete souverän das Bach-Collegium Frankfurt und das Concerto vocale. Foto: Heinz Linduschka

»Nicht Bach, Meer soll­te er hei­ßen!« soll Lud­wig van Bee­t­ho­ven über Jo­hann Se­bas­ti­an Bach ge­sagt ha­ben. Kein Zu­hö­rer in der voll be­setz­ten Ab­tei­kir­che in Amor­bach hät­te am frühen Sonn­ta­g­a­bend nach dem gut ein­stün­di­gen Ad­vents­kon­zert wi­der­spro­chen, als das ver­blüf­fend zu­rück­ge­nom­me­ne »Amen« des Chors aus der Bach­kan­ta­te zum ers­ten Ad­vent ver­k­lun­gen war.

Bei Bach und seinen Werken kommt es nicht auf barocken Pomp und Prunk an, sondern auf höchste Qualität und beseelte Interpretation bei gleichzeitiger technischer Perfektion - auch das machte das Konzert mit zwei Kantaten, einem Choralvorspiel und der Toccata und Fuge in d-Moll deutlich. Die Interpreten waren die ideale Besetzung für diesen Triumph scheinbaren Understatements. Das Frankfurter Concerto vocale besteht aus gerade mal acht Sängerinnen und Sängern, jede der vier Stimmlagen wird von zwei Akteuren getragen. Dennoch füllte der kleine Chor mit der Stimmkraft der Frauen und Männer das riesige Kirchenschiff bis in den letzten Winkel. Besonders wichtig: das ideale Zusammenspiel mit den 16 Musikern des Bach-Collegium Frankfurt mit ihren barocken Instrumenten.

Authentisch interpretiert

Authentisch interpretierten die Sänger und Instrumentalisten unter der souveränen und uneitlen Leitung von Michael Graf Münster die Kompositionen Bachs zur Adventszeit aus drei Lebensjahrzehnten. Mit Bibelzitaten, vor allem aus Salomons »Hohem Lied«, zelebrierte die Kantate »Wachet auf, ruft uns die Stimme« in Chorälen, Rezitativen und Arien die Hochzeit der Seele mit Christus, die in die verheißungsvollen Schlusszeilen mündet: »Des sind wir froh, / Jo, jo! / Ewig in dulci jubilo.« Den Jubel von Zeilen wie »Da Freude die Fülle, da Wonne wird sein« brachte der kleine und doch stimmgewaltige Chor zusammen mit dem Orchester ohne aufgesetzte Lautstärke perfekt zur Geltung, überzeugte durch feinste Nuancierungen, in denen er eine ganze Welt der Gefühle zwischen Erwartung, Hoffnung und Glaubenszuversicht spiegelte - genau die Stimmung, mit der man den Advent einläuten sollte.

Intime Hommage

Abgerundet wurde das Konzert durch die Kantate aus dem Jahr 1714 »Nun komm, der Heiden Heiland«, ein fast intime, verinnerlichte Hommage an den Einzug des Erlösers in das Herz der Gläubigen, ein Werk, in dem tiefe Oboenpassagen eine nächtliche Stimmung in die Kirche trugen, und zugleich ein schöner Kontrast zur strahlenden Kantate am Beginn des Konzerts.

HEINZ LINDUSCHKA