Der größte Teil textierter Musik ist bis weit ins 19. Jahrhundert hinein religiös motiviert und das meist als liturgischer Vollzug in einem sakralen Raum. Die historische Aufführungspraxis hat an ihren diversen Bogenstrich-und Tonhöhendogmen offensichtlich ihr Genügen gefunden und lässt die für Motivation und Formatierung der Werke existentielle Bedeutung von Raum und Anlass völlig außer Acht.
Michael Graf Münster, der Kantor der Frankfurter Katharinenkirche, ist in der Lage, über den Tellerrand purer Klangscholastik hinauszublicken. Er hat die „Auferstehungshistorie“ von Heinrich Schütz dem Osternachtgottesdienst integriert. Und das 1623 für den Dresdner Hof verfasste, gut 40-minütige Werk des 38-jährigen Komponisten jetzt, nach dem Glaubensbekenntnis und vor Vater unser und dem Segen durch Pfarrerin Gita Leber, aufgeführt. Vielleicht sah die Dresdner Liturgie vor 380 Jahren anders aus. Aber die Situierung im anfänglich vollkommen finsteren Kirchenschiff, das sich mit dem Weiterreichen der brennenden Osterkerzen in aller Zuhörenden Hände erhellte, war das Missing Link der Kontextualisierung der „Historia der fröhlichen und siegreichen Auferstehung unsers einigen Erlösers und Seligmachers Jesu Christi“. Einer Historia, die sich die venezianische Madrigalmusik der Spätrenaissance eines Giovanni Gabrieli und die monodisch-affektive Ausdrucksgestaltung eines Claudio Monteverdi anverwandelt hatte. Anverwandelt zur Bildung eines Auferstehungs-Narrativs, das mit seiner deutlich diskursiven und referierenden Haltung die protestantische Transformation der italienischen Klang-Katholizität durch Heinrich Schütz darstellt.
Richtige Zeit, richtiger Ort.
Das kam mit den insgesamt acht Sängern und Sängerinnen, die in wechselnden Positionierungen auf den Altarstufen als einzelne Handlungs-Figuren, als Colloquenten und Colloquentinnen sowie als Chor auftraten, im Verein mit dem siebenköpfigen Instrumentalensemble bestens zur Geltung. Ein gedecktes, unaufgeregtes Klangbild mit einem die vokale Hauptlast souverän tragenden Evangelisten (Daniel Sans). Für Schützens Vorrang der Wortverständlichkeit, die gelegentlich kühnen Modulationen sowie die saubere Intonation der imitatorischen Polyphonie sorgte Graf Münster, der unsichere Einsätze im Stimmgeflecht nicht duldete. Ein Auftritt am richtigen Ort zur rechten Zeit: versinnlichter Zeit-Raum – sinnhaft gewordener Klang.