Tugenden eines Kantors: Michael Graf Münsters Abschiedskonzert
Es war das Abschiedskonzert eines der markantesten Akteure im Frankfurter Musikleben. Namentlich des kirchenmusikalischen, denn der jetzt letztmalig in seiner Funktion als Kantor der evangelischen Hauptkirche St. Katharinen auftretende Theologe, Musikwissenschaftler und Dirigent Michael Graf Münster war seit 1998 Leiter der Kantorei, des Bach-Collegiums, Gründer des Solistenensembles Concerto vocale Frankfurt und Konzeptionist neuer Darbietungs-Formate.
Nicht Bach, das Zentralgestirn der evangelischen Musik, war jetzt Gegenstand seiner Interpretation, sondern eines der katholischen: Wolfgang Amadeus Mozart, den aber auch die Freimaurer für sich beanspruchen können. Es erklang die späte g-Moll-Sinfonie, die sich in ihrem harschen Duktus mit einigen Partien des sich anschließenden Torsos der c-Moll-Messe gut vertragen konnte – beides in münstertypischer Vollplastizität.
Man hatte Gelegenheit, noch einmal die Tugenden dieses Kantors zu erleben, der bis in die Dirigierweise aus den Kursen Sergiu Celibidaches gelernt hat. Die sachliche Arbeitsteilung zwischen rechter, taktschlagender Hand und der linken, artikulierenden. Dabei ein durch den gesamten Körper gehendes Pulsieren im Duktus der Musik als eine Art fast tänzerischer Mimikry. Dann auch die sich jetzt wieder dokumentierende Haltung, fünfe nicht gerade sein zu lassen sondern lieber noch einmal anzusetzen, wenn sich eine Schieflage in der Musizier-Tektonik ergibt.
Das Optimum suchen
Und schließlich ein Bewusstsein für das Schicksal des Klangkörpers im Raum. Bei Graf Münster wurde jede der vokalen und instrumentalen Klangquellen so postiert, dass eine optimale Akustik möglich war. So kam es mehrfach in der Aufführung der Messe zu Umstellung der Stimmgruppen des Chors, was man für Klarheit, Präsenz und Vokalfärbung des Klangs gerne hinnahm.
Dazu kommt eine bescheidene Haltung dem Werk, aber auch den Musizierenden gegenüber; wer hoffte, vor- oder nachher werde es Honoratiorisches, Lobpreis und Dank geben, sah sich enttäuscht. Enttäuschungsfrei war das Solo-Quartett, von der eingesprungenen Alma Ruoqi Sun mit ihrem quecksilbrigen Sopran über die gerundetere Stimmgebung ihrer Kollegin Mechthild Bach bis zum tenoralen Daniel Sans und baritonalen Ulrich Wand mit ihrer Stimmfestigkeit und -sicherheit. Enttäuschungsfrei war ebenso die lebhaftest mitgehende, in den Männerstimmen vortreffliche Kantorei und das schönfarbige und vervige Bach-Collegium Frankfurt.